Kunst im Öffentlichen Raum


Foto der Conrad-von-Hötzendorf-Straße von oben von Johanna Tinzl.

VORWEG

Die temporären Kunst im öffentlichen Raum Projekte sind eine von mehreren diskursiven Veranstaltungen des mehrjährigen interdisziplinären Kunst-, Forschungs- und Friedensprojektes COMRADE CONRADE. Demokratie und Frieden auf der Straße.

Demokratie fördert, unterstützt und macht Frieden möglich. Der öffentliche Raum ist der vielfältigste Raum, den wir als Gesellschaft gemeinsam schaffen, weil ihn so viele verschiedene Personen und Interessensgruppen nutzen und prägen. Eine Umgebung, an der jede Person in ihrer Verschiedenheit Anteil nehmen kann, ist nicht frei von Spannungen und Konflikten. Die Freiheit der einen Person bedeutet zumeist die Beschneidung der Freiheit der anderen. Konsenslösungen mit Beteiligung Vieler fördern aber gleichzeitig die Akzeptanz dieser Lösungen, lassen Resonanzräume entstehen und geben erst die Möglichkeit Alternativlösungen suchen zu können. Hier kann die Kunst, mit einer ihrer besonderen Fähigkeiten als Vermittlerin, eine Kommunikationsrolle übernehmen. Anhand der Verschiedenheiten von Kunst und ihrer Wahrnehmung und Wirkung können wir auf uns erproben, wie wir mit und nicht gegen diese Vielfalt leben können.
Detailliertere Auseinandersetzungen zum Thema Demokratie und Frieden findet in wesentlichen Fragestellungen statt:

  • Welche Arten von Un/Sichtbarkeit von Mehr- und Minderheiten, hinsichtlich von Geschlechterverhältnissen oder von sozialer Ungleichheit können anhand der Conrad-von-Hötzendorf-Straße lokalisiert werden?
  • Welche gelebten und gebauten Repräsentationsräume schreiben sich ins Gedächtnis der Stadt ein?
  • Welche demokratischen Prinzipien und Entscheidungsprozesse werden innerhalb der Conrad-von-Hötzendorf-Straße als Verhandlungsort und Austragungsort sozialer Konflikte sichtbar, und wie können sie mitgestaltet werden?
    Es geht um die Schaffung einer breiten Diskussion über vorhandene und nicht-vorhandene Gerechtigkeiten und demokratisches Handeln. Auf Fehlstellen und Unsichtbarkeiten soll konstruktiv aufmerksam gemacht werden. Kunst kann hier einen differenzierten Blick auf blinde Flecken unterstützen, aber auch eine vermittelnde, eine Kommunikationsrolle übernehmen und gemeinsam mit wissenschaftlichen Untersuchungen zu neuen Sichtweisen kommen.

INHALT

COMRADE CONRADE beschäftigt sich mit dem Zustand und der Zukunft von Demokratie und Frieden in gelebter Form in der Conrad von Hötzendorf-Straße.
COMRADE verweist auf den militärischen Aspekt, dem die aktuelle Benennung nach Franz Conrad von Hötzendorf, der wesentlich für den Weg in den Ersten Weltkrieg, die brutale Kriegsführung und Übergriffe gegenüber Zivilist*innen mitverantwortlich war, innewohnt. COMRADE steht aber auch für einen kollegialen, solidarischen Umgang miteinander.
CONRADE weist als weiblicher Vorname auf das Fehlen so vieler Frauen innerhalb großer Geschichtsschreibungen hin.

Wohl niemand aus Graz würde auf die Idee kommen, sich für einen Sonntagsspaziergang des Müßiggangs das genüßliche Durchwandern und Durchstreifen der Conrad-von-Hötzendorf-Straße auszusuchen.
Diese prominente Straße wird als Durchzugs-Verkehrsraum wahrgenommen, nicht als Lebensraum. Die repräsentativen Säulen eines Staates spiegeln sich innerhalb von etwas mehr als zwei Kilometern wider. Viele Menschen leben hier, dennoch wird sie von außen nicht als Wohnort gesehen, eher als Ort der Repräsentation.
Die Ansammlung ihrer vielen Charaktere, angefangen vom Finanzamt, über die Stadthalle bis hin zum Stadion, ist außergewöhnlich, einer Stadt in der Stadt gleich, und dennoch ist diese Straße gewöhnlich, steht für viele Einfall-Straßen. Wäre da nicht auch ihre bewegte Benennungshistorie, wäre sie sehr durchschnittlich. Zudem befindet sich die Conrad-von-Hötzendorf-Straße seit einigen Jahren in einem massiven städtebaulichen Transformationsprozess, der auch aktuell durch verschiedene Um- und Neubau-Projekte das Antlitz der Stadt Graz weiter verändern und prägen wird. Dieser Prozess hat aber wenig mit den Menschen vor Ort zu tun, es sei denn sie stören den Gentrifizierungsprozess.
Das österreichische Gedenkjahr 2018 weist viele runde Geburtstage auf. Die Republik Österreich hätte ohne Tadel ihren 100. Geburtstag feiern können und somit auch das Frauen- und Männerwahlrecht, wenn sich da nicht auch der Anschluss an Nazideutschland zum 80. Mal jähren würde und so die Erfolgsgeschichte Österreichs doch auch mehrfach kritisch beleuchtet werden muss.

1918 ergab sich für Österreich ein Window of Oppurtunity für eine demokratisch verfasste Republik. Man hätte Nationalismen und völkische Agenden hinter sich lassen können, wenn sich da nicht bereits der nächste Abgrund im Nationalsozialismus angebahnt hätte. Das Jubiläum gibt Anlass genauer auf die Zeichen öffentlicher Räume, auf die Geschichtsschreibungen, die einer Stadt innewohnen, hinzuschauen, einen differenzierteren Blick auf Entwicklungen und Hintergründe unseres (verorteten) Zusammenlebens zu bekommen und reflektiert zu handeln. Auch und gerade in einer liberalen Demokratie ist ein Nichtakzeptieren von Dingen, die nicht akzeptierbar sind (weil sie z.B. den Menschenrechten zuwiderlaufen), notwendig, um Vertrauen und somit Halt zu geben. Gleichsam geben aber Regeln und Gesetze dem Menschen als handlungsfähigem Individuum in einer komplexen Umgebung nicht mehr Spielraum, positive Aneignungen und Resonanzen zu erleben. Öffentliche Räume entwickeln sich in postpolitischen Zusammenhängen zu neoliberalen Marktplätzen des Kapitalismus, die weder Kunst noch Kultur einen Raum für Reflexionen des Ist-Zustandes ermöglichen. Öffentliche Räume sind nicht gegeben, sie werden von uns als Gemeinschaft gebildet und geformt, genauso wie Regeln und Verordnungen, die unsere komplexe Welt prägen. Sich als Individuum mit diesen Räumen nicht mehr zu beschäftigen, bedeutet, sich aus den letzten demokratischen Refugien zurückzuziehen.

Nicole Pruckermayr

 

UMSETZUNG

Eröffnung: Samstag, 15. September 2018, 15.00
Vorplatz Ostbahnhof Graz / Conrad-von-Hötzendorf-Straße 108

Dauer: Sonntag, 16.–Sa. 29. September 2018

Nayari Castillo (VEN/AT) / Hanns Holger Rutz (D/AT), Reni Hofmüller (AT), Nicole Pruckermayr (AT), Maruša Sagadin (AT), Sir Meisi (AT), Johanna Tinzl (AT), Eva Ursprung (AT)

Einführung
Nicole Pruckermayr und Elisabeth Fiedler
Eröffnungsrundgang zum Internationalen Tag der Demokratie
am Samstag, 15. September 2018, 15:00 Uhr.
Treffpunkt: Ostbahnhof, Conrad-von-Hötzendorf-Straße 108
Mit Performances von Eva Ursprung und Maruša Sagadin während des Eröffnungsrundganges.

 

Finissage: Samstag, 29. September 2018, 15:00

Abschlussrundgang zum Internationalen Tag der Gewaltlosigkeit.

Treffpunkt: Bertha-von-Suttner-Platz/Ecke Ulrich-Lichtenstein-Gasse
Mit der Performance von Maruša Sagadin sowie der Performance “Verletzung ohne Namen ’18” von Nicole Pruckermayr.

Einladungsfolder hier als PDF zum Download.

 

Foto: Nikolaos Zachariadis

Eine Kurzzeit-Intervention von Nayari Castillo und Nicole Pruckermayr am Bertha-von-Suttner-Platz, wo auch der Finissagen-Rundgang beginnen wird.

 

Beteiligte Künstler*innen und ihre Projekte

Nayarí Castillo / Hanns Holger Rutz

Reni Hofmüller

nicole pruckermayr

Maruša Sagadin

Sir Meisi

Johanna Tinzl

Eva Ursprung

 

 

Zu den Kunstprojekten:

Die Kunst-Projekte spielen eine besondere Rolle, da sie reflektierend auf räumliche, soziale, gesellschaftliche, ökologische und politische Bezüge mittels historischer, aber auch zeitgenössischer und visionärer Ausrichtung konzipiert werden und sich auf ganz konkrete Bedingungen vor Ort einlassen und versuchen mit den Menschen zu arbeiten. Sie zeigen durch ihr schlichtes Vorhandensein, dass es außerhalb von marktwirtschaftlichen Überlegungen und Eventisierung auch andere Formen des Denkens über Straße oder Öffentlichkeiten gibt und spannen so eine neue Ebene der Auseinandersetzung mit dieser Straße auf.

 

Gyges und sein Ring

von Sir Meisi (Ruby Sircar und Wolfgang Meisinger)

 

 

RESONANZRAUM

von Reni Hofmüller

 

 

Und sie hörte nicht auf, bis sie sich totgelacht hatte

von Maruša Sagadin

 

 

Immer wieder die Waffen nieder!

von Johanna Tinzl

 

 

WAR IS OVER

von Eva Ursprung

 

 

Mexikanischer Tumulus

von Nayarí Castillo und Hanns Holger Rutz

 

 

Verletzung ohne Namen ’18

von nicole pruckermayr

 

 

Credits

Kunst-im-öffentlichen-Raum Projekte
Konzeption, Organisation und Projektleitung: Nicole Pruckermayr
Grafik: Isabella Schlagintweit, Anna Hazod
Dokumentarische Begleitung: Nikolaos Zachariadis

Kontakt und Information:
Nicole Pruckermayr, comradeconrade[at]umlaeute.mur.at

In Kooperation mit dem Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark

Elisabeth Fiedler, Dirk Möllmann, Johannes Leitich, Michael Neubacher, Filomeno Fusco

 

Mit Dank an:
Ankünder; Toni Arellano; Martin Behr; BIG-Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H.; Gabriele Edlbauer; Jojo Emeka; esc medien kunst labor; Finanzamt Graz; Ille Gebeshuber, Scientific Consultant; Georg Georgi, Pizzeria Georgi; Stefan Haas, Firma SHT; Hannes Heel; Michael Hohl, Elektro Neon Elger; Irmi und Reinfried Horn, kunstGarten; Martin Huth; Bernhard Inninger und Team, Stadtplanungsamt Graz; Justizanstalt Graz-Jakomini; Hanspeter Kraus, SCHENKER & CO AG; Wolfgang Khil und Team, Druckerei Khil; David Kriebernegg; Kurtis Gym – Das Original; Manfred Lampel, Thomas Huber, Peter Gangl uva, Holding Graz; Johannes Marek und Team, Ginkgogardens; Maria Müller und Martin Grube, Institut für Botanik, KF Uni Graz; Atelier Neubacher; Renatn Oblak; Sofia Olascoaga; Christine Radl, Abteilung Grünraum und Gewässer; Manuela Ranner-Jauk; Risograd; Rhizom; Christof Scherrer, Scherrer Audio; Uli Schnölzer; Johann Schöggl und Team der ÖBB – Immobilienmanagement GmbH; SMZ und Stadtteilzentrum Jakomini; Straßenamt Graz; Hans Georg Tropper, Firma Bild Grafik; Monica Quintini Wissmann; Karl-Heinz Zach, BHM INGENIEURE – Engineering & Consulting GmbH; Gabriele Zieger, Firma Zieger; I0hannes zmölnig, u.v.a.

 

 

Diese Veranstaltungen finden während des Architektursommers 2018 statt.